Angst
Das Herz ist das vitale Zentrum unseres Körpers – wird das Herz krank, löst das bei vielen Betroffenen und ihren Angehörigen Angst aus, die auf eine reale Gefahr hindeutet. Wird die Angst zur seelischen Qual, kann sie krank machen. Es kann ein Wechselspiel entstehen, in dem sich Ängste und Herzerkrankung gegenseitig hochschaukeln und beeinflussen.
Manchmal ist es schwierig, die Grenze zwischen normaler Angst und einer Angsterkrankung zu erkennen. Wird unsere Gefühlswelt belastet, wird unser Alltag davon beherrscht und kreisen unsere Gedanken stetig um die Angst, sollten wir eine medizinische oder therapeutische Abklärung suchen. Denn wenn die Angst chronisch wird, können sich Depression und soziale Isolation dazugesellen. In der Folge ziehen wir uns zurück und unsere Handlungsfähigkeit wird gelähmt.
Ängste können das Herz-Kreislaufsystem belasten
Christoph Herrmann-Lingen, Professor für Psychosomatische Medizin in Göttingen schreibt, dass Ängste durch die begleitende vegetative Reaktion die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems erhöhen: „Die resultierenden Steigerungen von Herzfrequenz, Blutdruck und Arrhythmie-Neigung können in einem Teufelskreis zur weiteren Steigerung der akuten Angst führen.“
Anhaltende Angst kann zu übertriebener Schonhaltung führen und die Lebensqualität einschränken. Sie vermag die Krankheitsverarbeitung einzuschränken und den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen. Dabei gibt es unterschiedliche Angststörungen.
Panikstörung
Panikattacken kommen überfallartig aus heiterem Himmel und kehren immer wieder. Betroffene können oftmals keine sichtbaren Auslöser finden. Das können äußere Reize, aber auch Gespräche, Erinnerungen oder eine unvorhersehbare Situation sein.
Panikattacken überfallen einen nicht nur in der Gefühlswelt, sondern äußern sind auch körperlich durch Atemnot, Schwindelgefühl, Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Angst zu sterben, Angst die Kontrolle zu verlieren, Gefühl der Unwirklichkeit, Schmerzen, Taubheitsgefühl. Panikattacken können bei Herzkranken einen Notfall darstellen und einen Herzinfarkt auslösen. In der Regel klingt sie aber nach einigen Stunden wieder ab.
Der Alltag wird durch die „Angst vor der Angst“ und der ständigen Sorge vor der nächsten Panikattacke stark eingeschränkt. Typisch ist das „Vermeidungsverhalten“, in dem Betroffene jeder Situation aus dem Weg gehen, die ihrer Meinung nach eine Attacke auslösen könnte.
Generalisierte Angststörung
Wer seit Monaten oder Jahren unter anhaltenden Sorgen oder Ängsten leidet, die praktisch alle Lebensbereiche umfassen können, leidet vermutlich unter einer Generalisierten Angststörung. Die betroffene Person leidet unter starken Anspannungen und Unruhegefühlen, die sich kaum kontrollieren lassen. Die Angst kann ohne Grund auftreten. Manchmal sind banale Ereignisse Grund zur Sorge, wobei die Furcht ins unrealistische gesteigert wird und zu einer Panikattacke führen kann. Die Anlässe zur Sorge wechseln sich immer wieder ab. Tritt die erwartete Katastrophe nicht ein, wird ein neues Szenario aufgebaut.
Die Angstsymptome treten nicht gleichzeitig als Angstanfall auf. Eher ist andauerndes Grübeln über mögliche Ereignisse symptomatisch. Die Generalisierte Angststörung kann, wenn sie unbehandelt bleibt, in eine Depression münden. Körperliche Symptome sind Zittern, Herzrasen, Ruhelosigkeit, Schwitzen, Übelkeit oder Muskelverspannungen. Weitere Symptome der Angst sind innere Unruhe, ständiges Grübeln, depressive Verstimmung.
Phobien
Eine weitere Form der Angst sind die Phobien. Fast jede*r kennt im Bekanntenkreis eine Person, die Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten hat. Am weitesten verbreitet sind die Höhenangst, Platzangst (Klaustrophobie), Flugangst, Angst vor Spinnen oder anderen Tieren.
Komplizierter ist die soziale Phobie oder Agoraphobie. Bei der sozialen Phobie haben die Betroffenen übertriebene Angst vor anderen Menschen. Sie meiden Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen. Personen mit Agoraphobie vermeiden Plätze und Ansammlungen von Menschen z.B. im Kino oder Kaufhaus, weil sie befürchten, eine Panikattacke zu bekommen oder in großen Menschenansammlungen keine Hilfe zu bekommen.
Für Herzpatient*innen wichtig zu wissen! Bei phobischen Ängsten kommt es in den wiederkehrenden Situationen und bei massiven Ängsten zu vegetativen Begleiterscheinungen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen oder Zittern. Fälschlicherweise wird das als Herzattacke interpretiert. Außerdem kann es zwischen den Angstanfällen zur Angst vor neuerlichen Anfällen kommen, die wiederum zu vegetativen Erscheinungen führen können. Die Angst maskiert sich also hinter einer harmlosen Herzaktion.
Herzphobie
Einen Sonderfall stellt die Herzphobie dar. Menschen, die unter einer Herzphobie leiden, machen sich ständig Sorgen um ihr Herz und kontrollieren z.B. ihren Blutdruck unablässig. Andere Bezeichnungen sind Da Costa Syndrom, Herzneurose oder funktionelle Herz-Kreislauf-Störung.
Extreme Selbstbeobachtung, bei der der*die Patient*in verdächtige Herzbeschwerden zu erkennen glaubt, führt häufig zu akuter Todesangst. Normale Symptome wie ein Stechen oder Kribbeln in der Brust, das vom Nervensystem ausgehen kann, werden fälschlicherweise als Herzproblem interpretiert. Die Folge können Panikattacken sein. Häufig fehlt dem familiären oder befreundeten Umfeld das Verständnis für die Problematik.
Bei etwa 30% der Betroffenen in einer kardiologischen Praxis wird keine organische Erkrankung gefunden. Die häufigsten Symptome sind Herzrasen, unbedenkliche Herzrhythmusstörungen, Stechen, oder Brennen und Ziehen im Thorax. Prof. Christian Albus schreibt dazu, dass bei den meisten zu behandelnden Personen ein belastendes Lebensereignis vorausging.1
[1] Christian Albus „Psychokardiologie – Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen“
Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2008, S. 64 ff
Zu belastenden Lebensereignissen lesen Sie bitte das Kapitel über Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Depressionen
Etwa 50% aller Herzpatient*innen geben an, unter Depressionen als Folge der Herzerkrankung zu leiden. Häufig werden diese dennoch nicht erkannt, obwohl sie großen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Genesung nach einer Herzerkrankung haben. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der Frühverrentung von Infarktpatient*innen nicht wegen der Herzerkrankung, sondern wegen Depressivität kombiniert mit Angst erfolgt.1
20% der Erkrankten haben nach eigenen Angaben vorher noch nie unter einer Depression gelitten. Bei ihnen handelt es sich häufig um Typ-D-Persönlichkeiten, also eher nach innen gekehrte Menschen, die in Krisensituation zum Rückzug von anderen Menschen neigen und Einbrüche des Selbstvertrauens kennen.
Andere litten schon vorher unter depressiven Verstimmungen. Bei Personen, die unter Depressionen leiden, ist das Risiko eines Herzinfarktes um mehr als die Hälfte erhöht, sodass Depressionen einen ähnlichen Risikofaktor darstellt wie das Rauchen.2
Selbst leichte Depressionen hemmen den Gesundungsprozess erheblich. Depressive Menschen erleben ihr Herzgeschehen zwar massiver und gehen deshalb öfter zum Arzt. Allerdings wird die zugrunde liegende Depression als Auslöser der diagnostizierten Herzerkrankung oft nicht erkannt und deshalb auch nicht behandelt. Zudem lassen sich depressive Personen schwerer zu REHA Maßnahmen motivieren und rauchen häufiger, da Nikotin eine anti-depressive Wirkung entfaltet.
Symptome einer Depression
Etwa 6 Millionen Deutsche leiden jährlich unter einer Depression, die alle Bereiche des Lebens beeinträchtigt. Die Symptome können im Tagesverlauf schwanken und sich gegen Abend bessern oder zeitweise ganz verschwinden. Betroffen sind die Gedanken, die Gefühle, der Körper und das Verhalten.
Negative Gedanken und Pessimismus
Depressive Personen „kleben“ an negative Gedanken, die meist um die eigene Person kreisen. Sie neigen dazu, negativ über die Zukunft zu grübeln. Typisch sind Schuldgefühle und Selbstvorwürfe, die in Selbstmordgedanken münden können. In Phasen tiefster Verzweiflung kann es zu Selbstmordversuchen kommen. Hinzu kommen Konzentrations- und Entscheidungsschwierigkeiten; es scheint unmöglich, sich etwas zu merken oder sich für etwas zu entscheiden.
Körperliche Symptome
Im Vordergrund stehen Erschöpfung und Antriebslosigkeit, selbst das Nichtstun fällt schwer. Aber Vorsicht, bei besonderen Formen der Depression kann es zu einer Antriebssteigerung, einer inneren Unruhe, Anspannung und Rastlosigkeit kommen bis hin zu Erregungszuständen.
Manchmal kommen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magen-Darm Probleme und Angina pectoris hinzu. Auffällig sind Ein- und Durchschlafprobleme mit frühmorgendlichem Erwachen, was wiederum zu körperlicher und mentaler Erschöpfung führt. Bei den meisten Formen der Depression leiden Betroffene an Appetitlosigkeit. Allerdings gibt es auch Formen, in denen Depressive einen Heißhunger auf Kohlehydrate bekommen (Spaghettidepression). Die Libido geht verloren, man hat keine Lust auf Sex.
Negative Gefühle
Depressive Personen sind von einer Aura der Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung und Traurigkeit umgeben. Sie empfinden keine Freude, haben keinen Spaß mehr an Dingen, die sie früher gern gemacht haben. Eine innere Leere breitet sich aus, es kommt ihnen vor, als könnten sie ihre Gefühle nicht mehr spüren. Selbst für Partner*innen oder Kinder können sie oft keine Zuneigung mehr aufbringen. Viele haben Minderwertigkeitsgefühle und fühlen sich als Versager*innen, ziehen sich zurück und vereinsamen.
Ängste kommen hinzu
Depressionen werden häufig zusätzlich von quälenden Ängsten begleitet: Die Angst, den*die Partner*in zu verlieren, Angst vor der Zukunft, Angst dem Leben nicht mehr gewachsen zu sein.
Wie bewältige ich Stress?
Das Tempo im Alltag nimmt stetig zu, fast jede*r fühlt sich gestresst. Stress am Arbeitsplatz, in der Familie, mit dem Geld… Stress erhöht den Blutdruck und ist auf diesem Wege einer der großen Verursacher für Herzerkrankungen. Die Deutsche Herzstiftung hat acht bewährte Techniken zusammengefasst, um sich vor schädlichem Stress zu schützen.
Allerdings: Nicht jede Form von Stress ist schädlich. Manche fühlen sich erst wohl, wenn das Blut in Wallung gerät. Erst wenn die beruflichen und familiären Spannungen überhand nehmen, Schlaflosigkeit eintritt und der Blutdruck dauerhaft steigt, ist aus dem positiven Stress ein negativer Stress geworden. Der Psychokardiologe Professor Karl-Heinz Ladwig hat für die Deutsche Herzstiftung acht Ratschläge zusammengestellt, mit denen sich deutliche Erfolge erzielen lassen, um den Stresspegel zu senken.
Tipp 1
Wechseln Sie in die Vogelperspektive
Der bewusste Wechsel in die Vogelperspektive zählt zu den wirkungsvollsten Techniken, um Stress abzubauen. Stress kann wie ein Strudel wirken, dann wird das Gefühlserleben immer unübersichtlicher. Wer in Gedanken neben sich tritt und sich selbst beobachtet, distanziert sich von den Gefühlen. Beobachten Sie sich also nur und sehen Sie sich zu, wie Sie sich über den Autobahnstau aufregen. Schnell werden Sie zu dem Schluss kommen, dass man bestimmte Tatsachen nicht verändern kann, auch wenn man sich noch so ärgert.
Vielleicht wird es anfangs nicht immer gelingen, eine innere Distanz aufzubauen. Aber je öfter Sie es üben, umso leichter fällt es.
Tipp 2
Sport und Bewegung
Betrachten Sie Körper, Seele und Geist als eine Einheit. Sport baut Stress ab – schon eine halbe Stunde Jogging, bei älteren Herzkranken auch rasches Gehen, pro Tag kann Wunder wirken. Allerdings nicht am Abend, denn unmittelbar nach dem Sport kann der Blutdruck für ein paar Stunden erhöht sein und Sie werden nicht einschlafen können.
Tipp 3
Den Stress bei der Wurzel packen
Das ist leichter gesagt als getan. Üben Sie de-eskalierende Gesprächsführung – klingt schwer, ist aber leicht! Legen Sie nicht jedes gesagte Wort auf die Waagschale und nehmen Sie nicht alles persönlich. Wer einen cholerischen Vorgesetzten hat, wird mit diskutieren nicht weit kommen. Das ist frustrierend, aber Tatsache. Wenn Sie von der Arbeit nach Hause gehen, machen Sie die Tür zu und lassen das Problem am Arbeitsplatz.
Anders sieht es im privaten Bereich, in der Ehe oder mit dem*der Lebenspartner*in aus. Oft existieren in Beziehungen nicht-ausgesprochene Regeln, die immer wieder zu Streit führen.
Hören Sie zu, anstatt schon ihre eigenen Gedanken zu formulieren, während der Andere noch redet. Geben Sie dem Gegenüber Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Stellen Sie die Wunderfrage: Was müsste denn passieren, damit es anders wird? Finden Sie heraus, was den Stress eigentlich auslöst. Oft sehen wir zwar das Endprodukt des Problems, aber nicht den Auslöser.
Tipp 4
Die richtige Entspannungsübung finden
Hervorragend zum Stressabbau geeignet sind Entspannungsübungen. Am einfachsten ist es, verschiedene Techniken auszuprobieren. Schnell bemerkt man, welche zu einem passt. Manche bevorzugen es, alleine zu meditieren. Schon wer „geistesabwesend“ aus dem Fenster schaut und sich dabei von seinen Gedanken entleert, macht Selbsthypnose – und der Blutdruck sinkt. Andere entspannen lieber bei der beruhigenden Stimme eines Übungsleitenden und in der Gruppenatmosphäre. Wichtig ist: Wer seine Entspannungstechnik gefunden hat, sollte sie immer wieder einüben, denn umso besser wirkt sie.
Tipp 5
Der Gegenentwurf zum Dauerstress
Zu den wichtigsten Maßnahmen zur Bewältigung von negativem Stress zählt die Deutsche Herzstiftung den sog. „Gegenentwurf“, die Pflege eigener Interessen, Hobbys und Vorlieben, die entspannen und beruhigen. Wer an einem Winterabend ins Hallenbad geht, wird in der einen Ecke des Beckens eine Personengruppe sehen, die sich angeregt unterhält, während auf der anderen Seite Schwimmer Bahn für Bahn ziehen. Die einen suchen die Gemeinsamkeit und nutzen das entspannende Ambiente, während die anderen ihren Körper spüren wollen. Beides wirkt den Herausforderungen des Arbeitsalltags entgegen.
Tipp 6
Keine Entspannungskiller
Wer geistig aktiv bleibt, hat mehr vom Leben. Natürlich ist es verlockend, nach der Arbeit den Fernseher anzuschalten und auf der Couch dahin zu dösen. Danach hat man allerdings das Gefühl, nichts getan zu haben und der Stress ist immer noch da. Wir geraten schleichend in eine Isolation. Wirken Sie dagegen, indem Sie Verabredungen planen, die Sie nicht mehr absagen können. Treffen Sie Menschen, die Ihnen wichtig sind. Denn Reden und Zuhören entlastet die Seele.
Tipp 7
Vorsicht vor Medikamenten
Leider verschreiben manche Ärzte viel zu schnell Beruhigungsmittel, weil die zu behandelnden Personen das verlangen. Aber Vorsicht! Die weit verbreiteten Benzodiazepine sind nur für den kurzfristigen Gebrauch gedacht. Die Nebenwirkungen können beträchtlich sein, es ist mit Konzentrationsschwächen, Mattigkeitsgefühl und Benommenheit zu rechnen. Bei langfristiger Einnahme dreht sich die Wirkung um, es kommt zu massiven Schlafstörungen, Angst- und Panikausbrüchen, beim Absetzen entstehen Entzugserscheinungen. Oft ist schon mit natürlichen Präparaten wie Baldrian oder Hopfen geholfen.
Tipp 8
Sich nicht nur ernähren, sondern das Essen zelebrieren
Bereiten Sie Ihr Essen nicht nur für den Magen, sondern auch für die Sinne. Betrachten Sie die Zubereitung nicht als Last, sondern als Lust. Gönnen Sie sich Zeit, setzen Sie Genuss und Entschleunigung gegen zu viel, zu schnell, zu üppig. Wer die Essenszeit als Entspannung betrachtet, baut Stress ab. Bei Herzerkrankungen wird leichte, mediterrane Kost empfohlen.
Quelle: http://www.herzstiftung.de/Stress-Herz.html
Belastungsreaktion
Kleinere belastende Ereignisse (Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, kleinere Unfälle) verarbeiten wir in der Regel innerhalb von Stunden oder Tagen. Schwerwiegende Ereignisse können zu einer erheblichen Belastungsreaktion führen, die unser Denken und Fühlen beeinträchtigen können. Schwerwiegende Ereignisse wie Terror, Krieg, Vertreibung, Missbrauch, Vergewaltigung, Mobbing, Herzoperationen, auch Herzrhythmusstörungen oder der Tod einer nahestehenden Person können zu langanhaltenden psychischen Beschwerden führen, die wir als posttraumatische Belastungsreaktion bezeichnen. Gewalt, die von Menschen ausgeübt wurde, wirkt dabei traumatischer als z.B. Naturkatastrophen.
Ein charakteristisches Symptom ist das Vermeidungsverhalten mit der Befürchtung, wieder in ähnliche Situationen zu geraten. Die Folge ist sozialer Rückzug und Isolation. Typisch für posttraumatische Reaktionen ist das unkontrollierte Wiedererleben der traumatischen Situation, indem quälende Erinnerungen hochsteigen und zu Angst, Reizbarkeit, Anspannung und Schlafstörungen führen.
Herztrauma
Beim „Herztrauma“ wird z.B. ein Infarkt immer wieder in Träumen oder Tagträumen erlebt. Die Folge sind Gefühlsabstumpfung, die sich auch gegen alle anderen Gefühle richtet, emotionaler Rückzug, der vor allem die Familie sehr belastet und vegetative Reaktionen wie Übererregbarkeit. Andere Personen können diese Überreaktionen meistens nicht verstehen. Herzrhythmusstörungen werden häufig als lebensbedrohlich erlebt.
Trauer und Belastung
Herzerkrankungen lösen seelische Reaktionen aus, die aber zunächst nicht als Krankheit bezeichnet werden. Die Belastungen werden von allen Betroffenen anders verarbeitet. Die einen verleugnen die Tatsache einer Herzerkrankung schon wenige Tage nach einem Infarkt und fühlen sich völlig gesund, andere entwickeln hypochondrische Befürchtungen oder Depressionen.
Der Psychokardiologe Christoph Herrmann-Lingen beschreibt das folgendermaßen:
„Eine Herzerkrankung stellt für Patienten eine erhebliche psychische Belastung dar. Akut können Schmerzen bis hin zum Vernichtungsschmerz, Luftnot und Bewusstlosigkeit Todesängste auslösen, oft begleitet von Gefühlen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Im Verlauf muss der eingetretene Verlust der körperlichen Integrität und teilweise auch des Urvertrauens mehr oder weniger intensiv betrauert und die Angst vor erneuten Ereignissen bewältigt werden. Patienten müssen sich mit ihrem veränderten Körpergefühl, reduzierter Leistungsfähigkeit, weiter bestehenden Beschwerden und dem Risiko potenziell lebensbedrohlicher Komplikationen auseinandersetzen.“
Anpassungsstörung
Die Charakteristika der Anpassungsstörung und der Belastungsreaktion fallen häufig nicht weiter auf und sind in aller Regel nur schwer von einer normalen Trauerreaktion oder einer verständlichen „Realangst“ zu unterscheiden. Oft treten nach einer Herzoperation, nach anhaltenden Herzrhythmusstörungen oder nach einem Infarkt depressive Reaktionen auf, der Betroffene fühlt sich niedergestimmt und fürchtet, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können. Das rechtfertigt noch keine Diagnose einer Depression. Kommen aber Angstsymptome in Form von ängstlicher Selbstbeobachtung oder Vermeidung körperlicher Aktivitäten hinzu, könnte es sich um eine Anpassungsstörung handeln.
Scheuen Sie sich nicht, einen Arzt / eine Ärztin oder einen Psychotherapeuten / eine Psychotherapeutin aufzusuchen, wenn die Trauer oder die Angst vor der Krankheit sie festhält. Gönnen Sie sich trotzdem Zeit, Ihre Belastungen aufzuarbeiten und suchen Sie Gleichgesinnte, die vielleicht aus ihrem Erfahrungsschatz berichten können. Und fragen Sie: „Wie hast Du das bewältigt?“
Resilienz
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso manche Menschen auf katastrophale Ereignisse gelassen reagieren, während andere schier daran zerbrechen und das Trauma ihr Leben lang nicht loswerden? Wieso ist die innere Widerstandskraft nicht bei allen Menschen gleich?
Lange haben auf dem Gebiet der Psychologie Forschende versucht, darauf eine Antwort zu finden. Einig sind sie sich, dass es wohl bestimmte „Schutz-Faktoren“ gibt, die darüber entscheiden, wie widerstandsfähig wir sind.
Individuelle Schutzfaktoren
Einige Merkmale dieser Schutzfaktoren zeigen sich schon im frühen Kindesalter. Solche Kleinkinder werden als sympathisch wahrgenommen, sind freundlich, „brav“, gesellig und trotzdem aktiv. Sie neigen früh dazu, Probleme selber in die Hand zu nehmen und suchen Hilfe, wenn sie nicht weiter wissen. Und sie haben ein hohes Selbstwertgefühl, denn sie sind stolz auf sich und werden von den Eltern bestätigt. Früh haben sie gelernt, was „Selbstwirksamkeit“ – also die Fähigkeit, selbst auf Probleme einwirken zu können – bedeutet.
Das hat Konsequenzen im Alter: Diese Menschen haben ein positives Selbstbild entwickelt und wissen, dass sie Problemen nicht hilflos ausgeliefert sind, während Menschen mit negativem Selbstbild wenig Selbstwertgefühl ausbilden und zu dem Verhaltensmuster der „erlernten Hilflosigkeit“ neigen.
Familiärer Schutzfaktor
Stabile Leitbilder in der Familie scheinen eine Rolle zu spielen, um innere Festigkeit zu entwickeln. Ob ältere Geschwister, ob Onkel oder Tante, wichtig ist die sensible Hinwendung der Bezugsperson und ein Verständnis für die Probleme von Heranwachsenden. Konnte das Kind lernen, selbständig zu sein, seinen Willen zu äußern, ohne Bestrafung befürchten zu müssen und wird ihm beigebracht, Gefühle zu regulieren, kann eine selbstbewusste erwachsene Person entstehen.
Wer hohen Selbstwert mit Leistung gleichsetzt, unterwirft sich vergifteten Gefühlen von Schuld und Scham, wenn mal was schief geht. Oft haben wir innere Antreiben, die sagen: Ich bin nur etwas wert, wenn ich viel geleistet habe – und ich bin nichts wert, wenn ich einen Rückschlag erlebt habe. Im Gegensatz dazu erleben sich sogenannte Steh-auf-Männchen trotz Niederlage als vollwertig und liebenswert.
Resilienz üben
Aber wie kann man Resilienz üben, wenn einem die innere Widerstandskraft nicht in die Wiege gelegt wurde?
Hilfe suchen bei Gleichgesinnten
In unserer Selbsthilfegruppe haben wir die Erfahrung gemacht, dass alle vom Gespräch und Erfahrungsaustausch profitieren können. Welche Erfahrungen haben andere mit der Lösung von Problemen gemacht? Und wie stellen es andere an, aus einer Krise heraus zu kommen? Von Problemen erzählen hilft schon, einen ersten Schritt aus der Krise zu tun. Und zuhören, vielleicht kann man sich das eine oder andere abschauen.
Wie habe ich es früher gemacht?
Jeder hat schon große Krisen überstanden. Wie groß eine Krise ist, entscheidet man immer selbst. Forschen Sie in Ihrer Vergangenheit: Welche Impulse haben Sie damals befähigt, schlimme Situationen zu bewältigen – als der Krieg zu Ende ging und Sie verzweifelt waren; als Ihre erste große Liebe sie verlassen hat; oder Sie Angst vor der Kündigung hatten. Wie haben Sie es früher gemacht? Tun Sie es wieder!
Auf den Blickwinkel kommt es an
Ist die Krise wirklich so groß, wie man befürchtet? Oder stecken viele Interpretationen, Halbwissen oder Vermutungen in Ihrer Bewertung? Auch wenn das krisenhafte Ereignis die ganze Lebensplanung verändern mag, vielleicht bin ich in der Lage, mich anzupassen und die Veränderung in meine Lebensplanung zu integrieren.
Große Entscheidungen sollte man aber nur im entspannten Zustand treffen. Angst und Stress setzen Cortisol frei, wir werden nervös, aggressiv und verlieren die Fähigkeit, gelassen und kreativ zu denken.
Entspannungsübungen machen
Stress ist auch eine Antwort des Körpers auf innere Anspannung. Entspannungsübungen wirken Stress entgegen. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt, einfach auszuprobieren, was zu einem passt – die einen bevorzugen Yoga oder Achtsamkeitsübungen und lernen dabei, ihre Gedanken zu regulieren. Andere haben gute Erfahrungen mit Progressiver Muskelentspannung gemacht, die in vielen REHA-Kliniken erfolgreich angewandt wird. Dritte wiederum können bei Bewegung und Sport abschalten. Die Regelmäßigkeit bewirkt den Erfolg und bringt positive Gedanken. Viele Krankenkassen fördern Entspannungsübungen.
Weg der kleinen Schritte
Durchbrechen Sie den Kreislauf aus Angst und schlaflosen Nächten, maroden Gedanken und innerer Einsamkeit: Üben Sie positive Gedanken, stellen Sie sich genau vor, wie sie die Krise bewältigen könnten, stellen Sie die Zauberfrage: „Was müsste passieren, damit es wieder besser wird!“ Aber gehen Sie kleine Schritte, stellen Sie keine unrealistischen Ziele auf. Wer aktiv bleibt, gewinnt.
Persönlichkeitsmerkmale
Schon in den 1950er Jahren wurde in Kliniken beobachtet, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale besonders häufig mit Herzkrankheiten einher gingen. Diese Personen wurden als hart arbeitende Menschen beschrieben, deren Ziel immer der berufliche Erfolg war. Das Besondere an ihnen war, dass sie gerade in der Zeit vor einem Herzinfarkt unter besonderen Druck standen, ehrgeizig und unruhig waren. Und wenn man sie blockierte, neigen sie zu Wutausbrüchen und Ärger. Obwohl sie umso mehr arbeiten, fühlen sie sich als Versager.1
Das Szenario scheint eine cholerische Führungskraft zu beschreiben. Heute wissen wir, dass einiges daran richtig ist, aber doch nicht so einfach.
Die eigenen Stressoren kennenlernen
Viele Herzkranke scheinen pflichtbesessen und voller Sehnsucht nach Anerkennung zu sein, und geraten in Wut, wenn sie diese Anerkennung nicht finden.
Eine ablehnende oder feindselige Haltung gegenüber der Umgebung und Neigung zu Ärger gehören bei Herz-Kreislauf-Erkrankten zu den gefährlichen Stressoren. Außerdem findet sich bei diesem Persönlichkeitstypus häufiger die Neigung zu gesundheitsschädlichem Verhalten wie Rauchen, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung.
Typ-D-Persönlichkeit
Neuere Beobachtungen aus den 1990er Jahren zeigten, dass eine Kombination von bestimmten Persönlichkeitsprofilen Herzkrankheiten auslösen oder verschlimmern kann. Sie wurde die „Typ-D-Persönlichkeit“ genannt:
Diese Personen vereinigen belastende Eigenschaften wie Depressivität, Angst und Ärger und sind zudem nicht in der Lage, über ihre Situation zu sprechen. Sie „fressen“ ihre Angst in sich hinein.
Das heißt nicht, dass diese Menschen schon an Depressionen oder einer Angststörung leiden. Allerdings sind die Grenzen zwischen normaler Angst und krankhafter Angst manchmal verschwommen. Das trifft auch auf die Depression zu, denn sich mal niedergeschlagen fühlen muss nicht gleich eine Depression sein. Genauso verhält es sich bei normalem Ärger und krankhafter Feindseligkeit.
Das Typ-D-Muster führt zu chronischem Stresserleben.
Diagnose
Wer herausfinden will, ob dieses Persönlichkeitsmuster zu einem passt, kann sich folgende Fragen stellen:
- Fühle ich mich häufig deprimiert oder hoffnungslos?
- Fühle ich mich häufig angespannt oder ängstlich?
- Rege ich mich häufig über andere Menschen auf?
- Kann ich meine Gefühle und Gedanken anderen Menschen gut mitteilen?2
Behandlung
Herz-Kreislauf-Kranke, die zu Wutanfällen neigen oder sich leicht über andere ärgern, bringen das zunächst nicht mit ihrer Herzerkrankung in Verbindung und gehen deshalb auch nicht zum Arzt. Personen mit Typ-D-Muster geraten leichter unter Leidensdruck, da sie vorwiegend unter depressiv-ängstlicher Verstimmung leiden und oft einen Versagensdruck empfinden.
Anti-Stress-Training oder Stress-Management-Training sowie Entspannungsübungen werden in REHA-Kliniken angeboten. Die daran anschließende Inanspruchnahme längerfristiger Angebote wie einer „Herzgruppe“ kann nach klinischer Erfahrung bei Menschen mit Typ-D-Muster eine sehr wertvolle Stärkung guter sozialer Unterstützung bedeuten.“3
Risikoverhalten
Rauchen und vor allem kohlehydratreiche Kost wirken direkt antidepressiv und angstlösend und sind deshalb bei Herzpatient*innen verbreitet, die unter depressiven oder ängstlichen Zuständen leiden. Wichtig ist deshalb eine Selbstbeobachtung, um diese oft unbewussten, aber leider schädlichen Anti-Stress-Maßnahmen festzustellen und Alternativen zu finden.
Wut und Feindseligkeit lösen Herzrhythmusstörungen aus
Starker Ärger kann bei Herzpatient*innen einen Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen auslösen. Wer seine Gefühle schlecht kontrollieren kann, bei wem schnell Wut hochkocht, der gefährdet sich selbst, denn negative Gefühle verändern den Blutdruck und behindern so indirekt den Blutfluss.
Offenbar sind leicht erregbare, herzkranke Menschen einem höheren Risiko ausgesetzt, einen Herzinfarkt zu erleiden. Zu diesem Ergebnis kamen im März 2009 Forschende an der Yale University in den USA, als sie die Zusammenhänge zwischen Wut, Feindseligkeit und Herzerkrankungen untersuchten.1
Herzkranke mit verkalkten Gefäßen oder Herzschwäche reagierten offenbar besonders heftig auf emotionale Ausbrüche. Häufiger betroffen sind jene, die man früher als „Choleriker“ bezeichnet hätte: Personen, die zu Wutanfällen neigen, jähzornig, unausgeglichen und leicht erregbar sind.
Als Ursache wird eine Art Alarmreaktion des Herzens auf starke Gefühle vermutet, indem sich Adrenalin und andere Stresshormone direkt auf die Zellen des Herzens auswirken.
Wutpatient*innen gelten deshalb als ähnlich stark gefährdet wie Angstpatient*innen, Menschen, die an Depressionen leiden und stark traumatisierten Personen.
Aber keine Angst: Ein einzelner Wutausbruch ist noch nicht gefährlich, sonst wäre die Menschheit längst ausgestorben.
[1] http://content.onlinejacc.org/article.aspx?articleid=1139524
Teufelskreis der Schlaflosigkeit
Bei einer Schlafstörung, die mehrere Monate oder Jahre anhält, ohne dass ein erkennbarer anderer Grund auftritt, spricht man von einer primären Schlafstörung. Drei von vier Hausarztpatient*innen kennen das, in der Hälfte aller Fälle wird das beim Arztgespräch aber gar nicht angesprochen.
Bei einer primären chronischen Schlafstörung sind die ursprünglichen Auslöser wie Medikamente, körperliche oder psychische Erkrankungen nicht mehr erkennbar, die schlaflosen Nächte haben ihren eigenen Rhythmus entwickelt, wir nennen es den Teufelskreis der Schlaflosigkeit: Wir werden durch ein Geräusch wach, dann kommen negative Gedanken dazu, die lösen wiederum Ärger aus, in der Folge steigt der Blutdruck und das Ganze beginnt wieder von vorne.
Die Architektur des Schlafes
Aber nicht alles, was wir dafür halten, ist eine Schlafstörung. Das Schlafbedürfnis und die Schlafdauer schwanken von Person zu Person. Dauer und „Architektur“ des Schlafes verändern sich im Laufe des Lebens. Säuglinge schlafen bis zu 20 Stunden am Tag. In der Jugend pendelt sich die Schlafdauer bei ca. 8 Stunden ein.
Eine erste Verschlechterung des Schlafes tritt zwischen 30 und 40 ein, bei Frauen ist das Klimakterium oft der Auslöser einer Schlafverschlechterung, ab dem 50. Lebensjahr verändert sich die „Schlafarchitektur“: Der Tiefschlaf verkürzt sich, Aufwachphasen werden häufiger, man schläft oberflächlicher. Schlafforschende raten: Wer im Alter aktiv bleibt, schläft besser.
Verhaltensmaßnahmen bei Schlafstörungen
Bleiben Sie ein Gewohnheitstier. Sind keine anderen Einflüsse erkennbar, wird bei Schlafstörungen zu Verhaltensmaßnahmen ohne Medikamente geraten. Gehen Sie zu gewohnten Zeiten ins Bett und verändern Sie so wenig wie möglich Ihren Rhythmus, auch am Wochenende oder im Urlaub nicht. Langweilig aber hilfreich. Wer tagsüber schläft, muss sich nicht wundern, wenn es nachts nicht mehr klappt. Gönnen Sie sich ruhig einen „Powernap“ von 15 Minuten, das machen auch Führungskräfte. Aber verdösen Sie nicht den ganzen Tag.
Kein Fernsehen unmittelbar vor dem Zubettgehen, der hohe Blauanteil des TV-Lichts spiegelt uns Tageslicht vor und bringt den Rhythmus durcheinander. Und wundern Sie sich nicht, wenn Sie nach einem Krimi nicht schlafen können. Der Kreislauf ist dadurch auf Hochspannung programmiert. Alkohol hilft zwar beim Einschlafen, stört aber das Durchschlafen. Wenn Sie nicht mehr einschlafen können, stehen Sie lieber auf, suchen nach Entspannung oder legen sich ein Hobby zu, das man auch nachts ausüben kann.
Körperliche Erkrankungen sorgen für Schlaflosigkeit
Folgende Erkrankungen können für Schlaflosigkeit sorgen:
- hormonelle Störungen
- Erkrankungen der Schilddrüse
- Herz-Kreislauf-Störungen
- Nierenerkrankungen
- Magen-Darm-Erkrankungen
- Rheuma
- Krebs
- Hirnschäden
- Epilepsie
- Atemwegserkrankungen
- Schmerzen
- Degenerative Erkrankungen
Schlafapnoe, also regelmäßige Atemaussetzer und das Restless-Legs-Syndrom mit Schmerzen in den Beinvenen gehören ebenfalls zu den organischen Erkrankungen, die Schlaflosigkeit auslösen können.
Seelische Beschwerden sorgen für schlaflose Nächte
Schwere psychiatrische Erkrankungen lösen fast immer Schlafstörungen aus. Zu ihnen gehören:
- Depressionen
- Manien
- Schizophrenien
- Angststörungen
- Essstörungen
- Demenzen
Aber auch leichtere seelische Belastungen und Sorgen können zu Schlafentzug führen. Suchen Sie das Gespräch mit dem*der Partner*in oder in einer Gruppe.
Medikamente können zu Schlafstörungen führen
Folgende Medikamente können zu Schlafstörungen führen:
- Bluthochdruckmittel, Betablocker und weitere Herz- und Kreislaufmedikamente
- Statine gegen Fettstoffwechselstörungen
- Medikamente gegen Asthma
- Mittel gegen entzündliche Gelenkerkrankungen
- Schilddrüsenmedikamente
- Antibiotika
- Schmerz- und Migränemittel
- Koffeinhaltige Schmerz-, Husten- und Grippemittel, Kortison
- Appetitzügler
- Antriebssteigernde Antidepressiva
- Psychopharmaka
- Schlafmittel nach längerer Anwendung
Welche Schlafmittel gibt es und was ist zu beachten?
Es wurden unterschiedliche Substanzen entwickelt, um Schlafstörungen zu bekämpfen – angefangen von pflanzlichen Mitteln bis hin zu Benzodiazepinen, Antidepressiva und Neuroleptika.
Benzodiazepine
Sie werden von ärztlichem Fachpersonal seit den 60er Jahren am häufigsten verschrieben, weil sie anfangs eine durchschlagende Wirkung haben. Benzodiazepine, neuerdings auch die Gruppe der Nicht-Benzodiazepine, verstärken die Wirkung des Botenstoffs Gamma-Amino-Buttersäure, der als Wachbremse wirkt. Es wirkt muskelentspannend, beruhigend- und dämpfend, krampflösend und angstlösend. Gerne wird es als Wunderwaffe gegen Schlafstörungen verschrieben.
Weil sie aber nach etwa 14-tätiger Einnahme zu Abhängigkeit führen und eine Überdosis wiederum zu Schlafstörungen, hat die Pharmaindustrie seit den 90er Jahren versucht, mit ähnlichen, aber weniger starken Wirkstoffen eine Schlafverbesserung zu erreichen. Das Wirkprofil der Nicht-Benzodiazepine (Zopiclon, Zolpidem, Zaleplon) ist dem der Benzodiazepine ähnlich, wobei der Haupteffekt auf der schlafanstoßenden und der angstlösenden Komponente liegt. Die Gefahr der Abhängigkeit ist geringer, trotzdem sind diese Medikamente nur zur Kurzzeitbehandlung geeignet. Für ältere Menschen besteht wegen der sedierenden und muskelentspannenden Wirkung Sturzgefahr!
Antidepressiva wirken schlafanstoßend
Manche Patient*innen wundern sich, wenn sie bei Schlafstörungen Antidepressiva verschrieben bekommen. Der Grund ist einfach, sie wirken schlafanstoßend, einige auch beruhigend. Antidepressiva haben einen geringeren Abhängigkeitseffekt wie Benzodiazepine und sie haben einen geringeren Absetzeffekt. Die Nebenwirkungen können auf lange Dauer aber schwerwiegend sein.
Die Nebenwirkungen können zu Gewichtszunahme, Blutdrucksenkung, Verstopfung, Mundtrockenheit, Herzrhythmusstörungen und Verwirrtheitszuständen führen. Die Langzeitwirkung sorgt für einen langen „Hangover“ auch in den Tag hinein, oft wird die dämpfende Wirkung auch am Tag als lästig empfunden. Eine Überdosis kann tödlich sein.
Bei schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wirken Neuroleptika
Neuroleptika wie Promazin oder Melperon werden angewandt, wenn Schlafstörungen einen psychiatrischen Hintergrund haben. Wie Antidepressiva können auch sie nur vom Facharzt oder der Fachärztin verschrieben werden. Wegen der zum Teil dramatischen Spätfolgen (Mundtrockenheit, Schwitzen, Sehstörungen, Zittern, Kreislaufbeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Blutbildveränderungen, Depression, in hoher Dosierung Störungen der Gesichtsmuskulatur, Gewichtszunahme) sollten diese Medikamente nur bei Personen mit schwerer psychiatrischer Erkrankung (Schizophrenie, Wahrnehmung von Trugbildern, wahnhafte Gedanken) verschrieben werden.
Die Wirkung von Antihistaminika ist unzureichend untersucht
Eigentlich werden mit Antihistaminika Allergien behandelt, ihre müde machende Wirkung wird aber oft zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Die Präparate sind in der Apotheke frei erhältlich. (Dolestan, Dormigoa, Dormulit, Doxylamin, Gittalun, Hevert Dorm, Hoggar N, Nervo OPT, Sedaplus und als Kombinationspräparate Betadorm, Dolestan, Moradorm).
Obwohl der schlafanstoßende Effekt geringer ist als bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, können sie zu einem Überhangeffekt am Tag führen. Die Nebenwirkungen können Mundtrockenheit, Verstopfung, Beschwerden bei der Blasenentleerung, Sehstörungen, Benommenheit am Tage sein. Verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit der Präparate kann wegen der unkontrollierten Einnahme auf dem freien Markt nicht gemacht werden.
Pflanzliche Präparate
Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie weitgehend frei von bedeutsamen Nebenwirkungen sind. Da nicht jede Pflanze die gleichen Wirkstoffkonzentrationen aufweist, kann die Wirkung auch sehr unterschiedlich ausfallen. Seit langem werden Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Melisse und Kava eingesetzt. Sie sorgen für eine Verbesserung der Schlafstruktur und einige wirken stimmungsaufhellend.
Körpereigene Substanzen
Unser Körper stellt die Substanz L-Tryptophan her, aus der unser Organismus die Botenstoffe Serotonin und Melatonin gewinnt. Beide regulieren den Wach-Schlaf-Rhythmus und haben einen schlafanstoßenden Effekt
Der schlafanstoßende Effekt von Serotonin ist zwar gering, aber für leichte Schlafstörungen ist er gut geeignet. Serotonin wirkt erst nach mehrwöchiger Anwendung. Es ist in Apotheken frei verkäuflich.
L-Tryptophan hat keine Nebenwirkungen und kommt in einer Reihe von Nahrungsmitteln vor. Sojabohnen, Kakaopulver, Haferflocken und Milch sind geradezu L-Tryptophanbomben. Daher kommt vermutlich auch das alte Hausrezept „Heiße Milch mit Honig“. Der Honig enthält den Zucker, der für das Tryptophan als „Transportmittel“ ins Gehirn dient. Darum wird empfohlen, L-Tryptophan abends mit etwas Orangensaft zu sich zu nehmen.